Hat Deutschland zu viele Krankenhäuser? Die Bertelsmann Stiftung sieht das so und meldet sich mit einer heute veröffentlichten Studie zu Wort. Flankiert wird die Veröffentlichung mit einer ARD-Story "Krankenhäuser schließen - Leben retten" die heute Abend gesendet wird.
Alexander Meyer, stellvertretender Geschäftsführer des Klinikum Fichtelgebirge schließt sich der Argumentation der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) an: „Kliniken zu Großkliniken auszubauen, zerstört soziale Infrastruktur in einem ungeheuren Ausmaß, ohne dabei die medizinische Versorgung zu verbessern. Die Bertelsmann-Studie vertritt die Auffassung, dass medizinische Versorgungsqualität nur in großen Kliniken gut bzw. besser werden könnte. Es ist aber so, dass ein großer Teil des stationären medizinischen Versorgungsbedarfes keinerlei Spezialisierung bedarf. Es handelt sich um medizinische Grundversorgung wie Geburten, altersbedingte Krankheitsbilder der Inneren oder akute Notfälle.“
Die Autoren der Bertelsmann-Studie schlagen einen zweistufigen Aufbau einer neuen Krankenhausstruktur vor. Neben Versorgungskrankenhäusern mit durchschnittlich gut 600 Betten soll es etwa 50 Unikliniken und andere Versorger mit im Schnitt 1.300 Betten geben. Aktuell hat ein Drittel der deutschen Krankenhäuser weniger als 100 Betten. Die Durchschnittsgröße der Kliniken liege bei unter 300 Betten. Das Klinikum Fichtelgebirge verfügt derzeit über 393 Betten (Selb 130 Betten, Marktredwitz 263 Betten).
Meyer skizziert: “Wenn ein Bürger in unserer Region beispielsweise eine Nierenkolik erleidet, eine recht häufig auftretende Erkrankung, dann wird er froh sein, wenn er vor Ort in seinem Krankenhaus schnelle Hilfe bekommt. Denn eine solche Erkrankung verursacht wohl mit die stärksten Schmerzen, die einen Menschen treffen können. Die nächsten Kliniken mit einer solchen Abteilung wären über 35 Minuten Fahrzeit entfernt. Stau und Baustellen nicht eingerechnet.“
Als eine Voraussetzung ihres Konzeptes fordern die Autoren der Bertelsmann-Studie, dass deutlich mehr bislang stationär erbrachte Leistungen in ambulante Leistungen überführt werden. Hier sieht auch die DKG Möglichkeiten und fordert, dass Krankenhäuser mit ihren medizinischen Kompetenzen und ihrer Infrastruktur für die Erbringung ambulanter Leistungen vom Gesetzgeber zugelassen werden. Die niedergelassenen Praxen könnten diese Leistungen nicht auffangen. Die DKG klagt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen die Versorgungsengpässe im ambulanten Bereich seit Jahren nicht lösen konnten.
„Was wir benötigen, ist eine aktive Krankenhausplanung, die regionale Besonderheiten ins Auge fasst, Parallelstrukturen abbaut, aber gleichzeitig auch gegen Unterversorgung vorgeht. Wir benötigen einen vernünftigen Mix aus wohnortnaher Grundversorgung, bei der sich die Patienten auch im Notfall auf zeitnahe Behandlung verlassen können, und hochspezialisierten Leistungen, die in Zentren erfolgen sollen. Die Studie selbst verweist auf die Möglichkeiten, die die Telemedizin bietet, um Grundversorgungsstandorte mit den Kompetenzen der Zentren auszustatten. Dieser Debatte stellen sich die Krankenhäuser gerne, und sie sind auch jederzeit bereit, sich in eine sektorenübergreifende Versorgungsstruktur einzubringen. Wichtigste Zielsetzung von Planungen und Veränderungsprozessen muss aber der Nutzen für den Patienten sein“, macht der DKG-Präsident, Dr. Gerald Gaß, heute deutlich.
Gesundheitsminister vom Nutzen des Krankenhauses vor Ort überzeugt
Über eine Verringerung der Zahl der Krankenhäuser wird in Deutschland seit langem diskutiert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte kürzlich betont: "Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück Heimat." Gerade in gesundheitlichen Notlagen brauche es eine schnell erreichbare Versorgung. Krankenhäuser in ländlichen Regionen erhalten von den Krankenkassen künftig extra Geld. Vorgesehen sind im nächsten Jahr Finanzspritzen für 120 Kliniken von jeweils 400.000 Euro und damit insgesamt 48 Millionen Euro.
In der Bertelsmann-Studie heißt es dagegen, die schnelle Erreichbarkeit eines kleinen Krankenhauses sei nur ein vermeintlicher Vorteil. Wenn dort kein Facharzt verfügbar sei, habe die Klinik einen gravierenden Qualitätsnachteil. Eine Fallstudie für die Region Köln/Leverkusen und den angrenzenden ländlichen Raum habe gezeigt, dass Patienten dort bei einer Verringerung der Zahl der Kliniken von 38 auf 14 im Durchschnitt keine viel längeren Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten.
„Für einen Ballungsraum wie Köln/Leverkusen und Umgebung mag das vielleicht zutreffen, Zweifel allerdings sind angezeigt in bundesdeutschen Flächenländern oder auch in strukturschwachen und Grenzregionen wie unsere, wo das regionale Krankenhaus immer häufiger zum wichtigsten Anlaufpunkt für Kranke wird, weil sich Ärzte aus der Fläche und vom Land zurückziehen. Aktuell haben wir im Planungsbereich Wunsiedel – Marktredwitz bereits vier freie Hausarztsitze und 17 unserer Hausärzte sind bereits über 60 Jahre alt. Die Situation wird sich also noch verschärfen“ so Alexander Meyer.
Schwierige Finanzlage - jede dritte Klinik schreibt rote Zahlen
Die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland ist gleichwohl prekär. Nach jüngsten Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat jede dritte Klinik 2017 rote Zahlen geschrieben. Die sogenannten Rationalisierungsreserven seien mittlerweile ausgeschöpft, hatte die Krankenhausgesellschaft erklärt.

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